Alles paradox? Bitcoin: Quadratur des Kreises oder doch in sich konsistent?

Der bekannte Bitcoiner Ragnar Lifthrasir von Guns n Bitcoin stellte jüngst vermeintliche Widersprüche im Mindset der Bitcoin-Enthusiasten dar. Auch wenn seine Punkte ein guter Denkanstoß sind, kann man dennoch nicht sagen, dass Bitcoiner sich widersprechen.

Dr. Philipp Giese
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Ein Stoppschild und ein dem wiedersprechendes das Stoppen verbietendes Schild direkt nebeneinander

Beitragsbild: Shutterstock

Ein Kommentar von Dr. Philipp Giese

Ragnar Lifthrasir hat unter Bitcoin-Enthusiasten oftmals eine Außenseiterposition. Zwar steht er voll und ganz hinter Bitcoin, kritisiert jedoch auch manche Positionen der Krypto-Maximalisten. Als Befürworter von Waffenbesitz kann man ihn sicherlich zu den Libertären zählen, er betont jedoch häufiger die soziale Komponente Bitcoins jenseits eines etwaigen Investment Cases. Alles in allem eine schillernde, durchaus zum Teil kontroverse Person – was ja für die Krypto-Szene nicht unüblich ist.

Jüngst wies er in einem Tweet auf einige Punkte hin, die seiner Meinung nach Widersprüche im Denken vieler Bitcoin-Maximalisten seien:

https://twitter.com/Ragnarly/status/1254448482976321537

Derartige Tweets gefallen mir, fordern sie doch heraus, seine eigenen Ideen zu hinterfragen. Ebenso ist es immer wieder wichtig, einer eingeschworenen Community eine Art Spiegel vorzuhalten. Mit einfachen Aussagen wie „Number go up“ ist keinem geholfen.

Ebenso lesen sich die dargestellten Positionen, welche durchaus häufiger von denselben Bitcoinern vertreten werden, auf den ersten Blick wie Widersprüche.

Doch ich denke, dass hier, wie bei anderen derartigen Vorwürfen, oft ein Fehler gemacht wird: Man vermischt die Umstände von zwei Aussagen. Ähnlich wirft man zum Teil auch guten Analysten vor, sie würden nicht viel mehr als „es geht entweder hoch oder runter“ sagen. Wenn der Analyst es so explizit ausdrückt, ja, dann sagt er tatsächlich nicht mehr. Formuliert er jedoch, dass es kurzfristig runter, langfristig jedoch hoch geht, widerspricht er sich nicht selber. Er weist lediglich auf verschiedene Zeitskalen hin.

Dollar-Cost-Averaging vs. Unit of Account

Der erste Vorwurf, den Ragnar macht ist, dass Bitcoiner sowohl in Bitcoin einen Unit of Account sehen, als auch Dollar Cost Averaging betreiben. Den Vorwurf kann ich am wenigsten verstehen. Wenn ich Pfandflaschen abgebe, bleibt der Euro dennoch die Recheneinheit. Etwas weniger banal: Wenn ich arbeite und für diese aufgewendete Arbeitszeit und -Mühe Geld erhalte, bleibt dennoch die Währung, in der das Gehalt ausgezahlt wird, meine Recheneinheit.

Ähnlich ist es beim Dollar Cost Averaging: Dies mag der Weg zu einem Bitcoin-Kapital sein, der Aufwand, den man betreibt. Dennoch kann Bitcoin die Recheneinheit sein. Oder, in einer schwächeren Interpretation: Es kann das Ziel sein, dass Bitcoin zu einer Recheneinheit wird. Als möglichst risikofreien Weg hierhin kann man Dollar Cost Averaging betreiben.

Bitcoins Store of Value vs. Lightning, Liquid und BTCPay Server

Sein zweiter Vorwurf zielt auf das Überbetonen des Wertspeichers. Indirekt wird die kontroverse Äußerung von Jimmy Song im Herbst 2018 hier zitiert. Laut dieser, so Jimmy Song, sollen Anleger lieber eine Kreditkarte nutzen, statt Bitcoin als Zahlungsmittel zu verwenden.

Mal ganz vom ursprünglichen Sinn hinter Bitcoin abgesehen: Widerspricht das nicht der Nutzung von BTC-Server, Liquid und Lightning? Alle drei Technologien zielen, jeweils auf ihre Weise, darauf ab, Bitcoin als Zahlungsmittel zu verwenden. Verrennen sich da also die Freunde Bitcoins in einem Widerspruch?

Auch hier gilt es auf den Kontext zu achten. Erstens ist es etwas amüsant, eine Äußerung von 2018 als Gegenposition zu den drei Technologien heute darzustellen. Jimmy Song ging es seinerzeit in erster Linie um die Forderungen, dass man das Base Layer Protocol doch so aufsetzen müsse, dass Kleinsttransaktionen damit nicht nur möglich, sondern auch preiswert wären. Dagegen wendet sich Jimmy Song im alten, weiter anhaltenden Streit zwischen einem Blocksize Limit wie bei Bitcoin und großen Blöcken wie bei Bitcoin Cash und später Bitcoin SV.

Die Welt hat sich jedoch seitdem weitergedreht. Auch wenn schon damals von Lightning die Rede war und auch wenn an BTCPay und Liquid schon damals gearbeitet wurde: Wirklich fahrt kam erst später auf diese Technologien auf. Berücksichtigt man dies, ist nicht von einem Widerspruch zu sprechen.

Bitcoin: Echtes Geld, was man nicht nutzen soll?

Dieser Punkt ist dem obigen recht ähnlich. Bitcoin, das „echte Geld des 21. Jahrhunderts“, soll, weil es ja so echt und so limitiert ist, nicht verwendet werden.

Und ja, zugegebenermaßen: Es existieren durchaus die Anleger, die zwar fröhlich #stackingsats vor sich her tragen und Bitcoin horten – aber doch niemals zu diesem Kurs Bitcoin nutzen würden. HODL ist die Devise, ein echter Store of Value kann doch nicht verkauft werden!

Auch hier denke ich, dass sich die Welt weiterbewegt hat. Inzwischen wird viel mehr über tatsächliche Nutzung von Bitcoin gesprochen. Auf verschiedenen Veranstaltungen wie der Lightning Conference konnte man leckeren Kaffee über Lightning zahlen, ebenso gab es zuvor schon Reckless-Tickets zu attraktiven Preisen. Sicher, der Kritikpunkt von Ragnar ist nur teilweise da. Aber man kann ihn nicht mehr auf alle Bitcoin-Maximalisten beziehen.

Bitcoin-Maximalisten: Toxisch, aber nichts dahinter?

Der vierte von ihm angesprochene Punkt hat durchaus seine Berechtigung. Jenen, die Krypto-Twitter verfolgen, kommen hier sicherlich Erinnerungen um einen plumpen Seitenhieb auf Samson Mow hoch. Ja, ein Meme um seine Freundin Linda Seiche zu machen war unter der Gürtellinie. Es ist jedoch nicht so, dass die Welt unter der Gürtellinie von Samson Mow und anderen aus seinem Umfeld komplett unbekannt ist. Er hat durchaus auch häufig andere beleidigt oder sich amüsiert gezeigt, wenn hart gegen Bitcoin Cash oder Ethereum geschossen wurde.

Dennoch ist es falsch, diesen Vorwurf auf Bitcoin zu beziehen. Erstens sind längst nicht alle Maximalisten so. Es gibt genügend, die vielleicht hart austeilen, aber ebenso einstecken können. Zweitens ist das doch eher ein generelles Problem mit Echokammern.

Ich kann mich noch 2018 an /r/btc erinnern. Die zwei trending topics waren ad-hominem-Angriffe auf Bitcoin Core und ein Beklagen über den toxischen Charakter der Bitcoin-Core-Jünger. Derartige Widersprüche finden sich in jeder Community. Viele können nicht so hart einstecken wie austeilen. Das ist auch gegen die einzelnen nicht sofort ein Vorwurf. Es ist normal, dass das, was man anderen antut, man nicht so sehr spürt wie das, was einen selbst betrifft. Hier muss jeder einzelne, egal ob Bitcoiner oder nicht, an sich arbeiten.

Wie in der realen Welt: Der Kontext machts

Der Physiker in mir erinnert sich bei derartigen Widersprüchen natürlich sofort an den Welle-Teilchen-Dualismus der Quantenmechanik. Licht, so fand man Anfang des 20. Jahrhunderts heraus, verhält sich manchmal wie eine Welle, manchmal wie ein Teilchen. An sich ist dies ein Widerspruch. Was jedoch im ersten Schritt als Anomalie des Lichtes wahrgenommen wurde, scheint deutlich größere Konsequenzen zu haben; Inzwischen konnte man einen derartigen Dualismus auch an riesigen Molekülen nachweisen. Man weiß also inzwischen: Zwischen einem Materie- und einem Wellencharakter besteht kein Widerspruch. Vielmehr ergänzen sich beide Blickwinkel.

Ähnlich ist es in unserem Fall: Bitcoin ist sowohl ein Wertspeicher, als auch ein Zahlungsmittel. Beides sind sich gegenseitig ergänzende Blickwinkel.

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