Gastbeitrag Finanzgericht entscheidet über Besteuerung von Kryptowerten

Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied als erstes Finanzgericht in einem Hauptsacheverfahren über die Besteuerung von Veräußerungsgeschäften mit Kryptowerten.

Dr. Hendrik Arendt
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Besteuerung

Beitragsbild: Shutterstock

Die Fakten sind schnell erzählt: Im Jahr 2015 beteiligt der Vater sich mit EUR 700 am Portfolio des Sohnes, der fortan für seinen Vater (als sog. Treuhänder) in verschiedene Kryptowerte über im Ausland ansässige Exchanges investierte. Im Jahr 2017 erzielte der Vater infolge der Veräußerung der Kryptowerte bzw. des Tausches gegen andere Kryptowerte Gewinne i. H. v. EUR 31.904. Die Veräußerungsgewinne gab der Vater in seiner Steuererklärung als sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften an. 

Gegen den Einkommensteuerbescheid, der im Wesentlichen seiner Einkommensteuererklärung entsprach, ging der Vater im Wege eines Einspruchs vor. Das zuständige Finanzamt wies den Einspruch zurück, sodass der Vater Klage vor dem Finanzgericht erhob.

Erste Frage: Sind Kryptowerte ein “anderes Wirtschaftsgut”?

Entscheidend ist diese Streitfrage für die Besteuerung als sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften, d.h. u.a. die Anwendung der Jahresfrist und der Freigrenze i.H.v. EUR 600. Denn nach dem deutschen Einkommensteuergesetz sind “Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt”, steuerpflichtig.

Das oberste deutsche Finanzgericht, der Bundesfinanzhof, ist hinsichtlich des Begriffs des “anderen Wirtschaftsguts” sehr großzügig. So umfasst der Begriff “neben Sachen und Rechte auch tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten, d.h. sämtliche vermögenswerten Vorteile, deren Erlangung sich der Steuerpflichtige etwas kosten lässt und die einer selbständigen Bewertung zugänglich sind.”

“Auf die technischen Details kommt es nicht entscheidend an.”

Der Steuerpflichtige führte in der Begründung seines Einspruchs sowie seiner Klage ausführlich zu den technischen Vorgängen aus und warum in der Software, dem Public Key noch der Kombination aus Public Key und Private Key kein “anderes Wirtschaftsgut” im Sinne der Definition zu erkennen sei.

Doch weder das Finanzamt noch das Finanzgericht setzen sich damit auseinander: So verwies das Finanzamt auf die im einstweiligen Rechtsschutz (dort erfolgt nur eine vereinfachte Prüfung) ergangene Entscheidung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg, wonach es sich bei Bitcoin (und anderen Kryptowährungen) um ein immaterielles Wirtschaftsgut handeln soll. Dem stimme das Finanzgericht kurz und knapp zu.

“Was so viel kostet, ist auch ein Wirtschaftsgut”

Die in der Vergangenheit erzielten hohen Preise für Kryptowährungen zeigten deutlich, dass Marktteilnehmer sich den Erwerb der virtuellen Währung etwas kosten lassen. Dies wäre im Wesentlichen bereits ausreichend, ohne dass die technischen Feinheiten relevant seien. Damit äußerte sich das Finanzgericht ebenso plump zu dieser elementaren steuerlichen Frage, wie das Bundesministerium für Finanzen im August 2021 in der virtuellen Anhörung zu dem Entwurf eines BMF-Schreibens zu Einzelfragen zur ertragsteuerlichen Behandlung virtueller Währungen und Token aus Juni 2021. Mit den in der Rechtswissenschaft vertretenen Argumenten setzte sich das Finanzgericht nicht auseinander. 

Zweite Frage: Verhindert ein strukturelles Vollzugsdefizit die Besteuerung?

Nach Ansicht des Steuerpflichtigen dürfe eine Besteuerung aber auch deshalb nicht erfolgen, da sie infolge eines strukturelles Vollzugsdefizit verfassungswidrig sei. Die Finanzämter seien nicht in der Lage, Veräußerungsgewinne von Kryptowerten zu besteuern, wenn der Steuerpflichtige die notwendigen Informationen nicht selbst in der Steuererklärung mitteilen würde. Das Entdeckungsrisiko sei sehr gering.

Nach der Auffassung des Finanzgerichts hat das Finanzamt aber sehr wohl verfahrensrechtliche Möglichkeiten an die notwendigen Informationen von Exchanges zu gelangen, zumindest wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, der Steuerklärung des Steuerpflichtigen zu misstrauen. Andernfalls könne sich das Finanzamt darauf verlassen, dass der Steuerpflichtige vollständige und richtige Daten übermittelt und müsse die Daten nicht im Detail nachprüfen.

Zwar habe der deutsche Gesetzgeber bislang “kein Kryptosteuergesetz” erlassen, doch sei dies auch nicht nötig. Nach Auffassung des Finanzgerichts war Trading jedenfalls im Streitjahr 2017 eine Randerscheinung und der Gesetzgeber müsse nicht jede technische Entwicklung umgehend besteuern; das sei eine politische Entscheidung.

Auf nach München?

Schlussendlich hat der Steuerpflichtige nach dem erfolglosen Einspruch nun auch die zweite Runde verloren. Ihm bleibt jetzt noch der Weg nach München, um eine grundsätzliche Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu erreichen. Die Revision wurde zugelassen und zunächst vom Kläger auch eingelegt, inzwischen aber zurückgenommen.

Wer bereits Kryptowerte in seiner Steuererklärung angegeben und einen Einkommensteuerbescheid erhalten hat, kann innerhalb eines Monats nach Erhalt des Steuerbescheids Einspruch schriftlich, via ELSTER oder zur Niederschrift beim Finanzamt einlegen. So verhindert man, dass der Einkommensteuerbescheid unanfechtbar wird und erreicht, dass man sich noch auf die (mögliche) Entscheidung des Bundesfinanzhofs berufen kann. Die Zahlungspflicht einer ausstehenden Nachzahlung bleibt allerdings bestehen.

Wer noch keine Einkommensteuererklärung abgegeben hat, dem zeigt das Urteil, wie hoch der Dokumentationsaufwand für den Steuerpflichtigen ist. Ohne die Unterstützung von Steuer-Tools oder Steuerberatern/Rechtsanwälten ist es selbst einem gewöhnlichen Trader schon fast nicht mehr möglich, eine rechtskonforme Steuererklärung abzugeben.

Das Urteil ist online abrufbar. Die Grundlagen der Besteuerung von Kryptowerten werden im Podcast “beigeSTEUERt” besprochen (überall, wo es Podcasts gibt).

Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Dr. Martin Friedberg, LL.M. (Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht und Counsel bei CMS Hasche Sigle).

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