Funding gesucht  Krypto-Start-ups unter Druck: Warum die nächsten Monate existenziell werden

Im vergangenen Jahr gingen die Unternehmensbewertungen der Krypto-Start-ups nicht weniger absurd in die Höhe, als die Kurse der Kryptowährungen. Warum damit jetzt Schluss ist und wie es für die Krypto-Start-ups nun weitergeht.

Sven Wagenknecht
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Zertrümmertes Sparschwein

Beitragsbild: Shutterstock

Während die Kurse von Tech-Aktien und Kryptowährungen in den Keller rauschen, war es um die Unternehmensbewertungen der Start-ups noch recht still geblieben. Schließlich lassen sich diese nicht transparent und sekündlich auf Börsen verfolgen. Aufgrund des Kapitalbedarfs der meisten Start-ups ist es allerdings nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Finanzierungsrunde vor der Tür steht.

Vieles spricht nun dafür, dass es diesmal anders ablaufen wird als in den Jahren zuvor. Anstatt ganz selbstverständlich von steigenden Bewertungen auszugehen, dürften in diesem Jahr einige Krypto-Unternehmen mit Flatrounds und Downrounds konfrontiert werden. Soll bedeuten, sie werden nicht in der Lage sein bei der nächsten Finanzierung ihre Bewertung zu steigern oder müssen gar Abschläge hinnehmen.

Das Prinzip hinter den Bewertungen

Die Zeiten des günstigen Geldes sind vorerst vorbei. Der Preis fürs Geld ist der Zins und der kennt aktuell nur eine Richtung: gen Norden. Gleichzeitig ist die Makrolage sehr schlecht, sodass immer mehr Finanzakteure mit einer Stagflation oder Rezession rechnen. In diesem Umfeld legen die risikoreichen und cashflowlosen Innovationswerte eine Vollbremsung hin. Die neue Realität zwingt Tech und Krypto dazu, die höheren Opportunitätskosten gegenüber anderen Anlageklassen in ihren Bewertungsniveaus zu berücksichtigen. Die gestiegenen Finanzierungskosten bewirken in Kombination mit der hohen Marktunsicherheit fallende Kurse von Unternehmen mit einem defizitären (hohe Burnrate) oder zu sehr auf der Zukunft aufbauenden Geschäftsmodell.

Fallhöhe ist enorm für Krypto-Start-ups

Das Potenzial für signifikante Downrounds bei den Krypto-Unternehmen ist groß. Schließlich sind ihre Bewertungsniveaus noch vor der “Zeitenwende” entstanden, sodass einige schmerzlich von der neuen Bewertungsrealität getroffen werden dürften. Bei den Bewertungssprüngen im Jahr 2021 hatte die BTC-ECHO-Redaktion teils Schwierigkeiten, mit den Rekord-Meldungen nachzukommen. Nicht selten stand die Frage in dem Raum, ob man überhaupt darüber berichten soll, wenn ein Krypto-Unternehmen weniger als 50 Millionen US-Dollar in einer Finanzierungsrunde einnimmt.

So haben Krypto-Start-ups im Jahr 2021 insgesamt über 25,2 Milliarden US-Dollar, überwiegend Wagniskapitalfirmen und anderen institutionellen Investoren, eingenommen. Im Jahr 2020 waren es gerade einmal 3,1 Milliarden US-Dollar gewesen. Besonders beeindruckende Fundings aus 2021 waren unter anderem FTX (908 Millionen USD), Celsius Network (750 Millionen USD) oder Sorare (680 Millionen USD).

Es wackelt im FinTech-Sektor

Recherchen des Handelsblattes weisen bereits auf die Bewertungsproblematik namhafter Fintechs hin. Demnach gibt es Anzeichen, dass sich die Fundingsituation für N26 und Trade Republic verschlechtert hat. Beim schwedischen Fintech Klarna soll laut anderen Medienberichten die Bewertung bereits um ein Drittel abgesenkt worden sein. Was für die Nicht-Krypto-Fintechs gilt, dürfte mindestens genauso für die Krypto-Fintechs gelten. So hatten wir von der Berliner Krypto-Bank Nuri berichtet, die 20 Prozent ihrer Belegschaft entlässt.

Die Krypto-Start-ups, die erst kürzlich Geld eingesammelt haben und nun für ein bis zwei Jahre damit planen können, dürften sich sehr glücklich schätzen. Alle anderen, die sich jetzt oder in den kommenden Monaten auf die Suche nach frischem Geld machen beziehungsweise bei ihren Altinvestoren anklopfen müssen, dürften bereits jetzt schon zittrige Knie bekommen. Natürlich gibt es auch immer wieder Ausreißer, die sich von dieser Marktstimmung loslösen können.

Haushalten ist angesagt

Umso entscheidender ist jetzt der verantwortungsvolle Umgang mit Geld. Gerade bei den Unicorn-Überfliegern im letzten Jahr war dies jedenfalls nicht zu erkennen. Die Milliarden an freiem Kapital haben zu teils prolligen Marketingkampagnen, insbesondere bei den Krypto-Brokern und -Börsen, geführt. FTX, Binance oder Crypto.com haben das Geld nur so rausgehauen. Formel 1, Superbowl oder FIFA: hunderte Millionen US-Dollar sind für die teuersten Werbeflächen und Sponsorendeals bezahlt worden.

Für die im zweistelligen Milliardenbereich bewerteten Unternehmen mag das auch in den kommenden Monaten zu verschmerzen sein. Sie sitzen oftmals auf riesigen Geldbergen und können teils signifikante Gewinne ausweisen. Ein großer Unterschied zu den Krypto-Start-ups, die nicht über diese Größe und Marktposition verfügen. Gerade die Start-ups mit einer zwei- oder dreistelligen Millionenbewertung bei einer gleichzeitig hohen Burnrate, dürften in den kommenden Monaten besonders die Zähne zusammenbeißen müssen. Wagniskapitalgeber schützen in dieser Marktphase lieber ihr bestehendes Portfolio, anstatt neue Start-ups mitaufzunehmen.

Start-ups: Situation wie zur Finanzkrise 2008?

Angesichts des aktuell schwierigen Funding-Ausblicks hat bei LinkedIn eine Präsentation von der namhaftesten VC-Firma der Welt, Sequoia Capital, die Runde gemacht. Diese stammt noch aus der Finanzkrise 2008 und hat den Titel: R.I.P Good Times. Der Rat der Profis lautet dabei: Cash-Reserven für mindestens ein Jahr, realistisch bei den Bewertungen sein, keine Zeit beim Fundraising verlieren, aktiv nach M&A-Gelegenheiten suchen und letztlich alle Hebel in Bewegung setzen. Gleicher Tenor kommt auch vom Rocket-Internet-Chef Oliver Samwer. In einer Rundmail vergleicht er die Finanzierungssituation mit der Finanzkrise 2008. Dabei wies er in drastischen Worten die Unternehmen darauf hin, dass sie sterben werden, wenn sie Maßnahmen verzögern.

In diesem Sinne dürfte die zweite Jahreshälfte keine leichte werden. Andersherum hat jede Krise, die überlebenden Unternehmen nur stärker gemacht. Nie ist die Lernkurve größer als in harten Zeiten. Manchem Überflieger der letzten zwei Jahre mag die Zeitwende gar vor Fehlentscheidungen schützen. Wer weniger hat, der wirtschaftet damit in der Regel auch fokussierter und effizienter.

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