Klartext zu Security Token Wann starten die digitalen Wertpapiere endlich durch?

Digitale Wertpapiere respektive Security Token haben bis heute nicht in der Breite überzeugen können. Woran das Ausbleiben des Erfolgs liegt, was sie mit Elektroautos gemein haben und wieso der Begriff Security Token problematisch ist.

Sven Wagenknecht
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Bulle und Bär an der Frankfurter Börse in Anlehnung an Security Token

Beitragsbild: Shutterstock

Regelmäßig ploppen im Kryptosektor Hype-Themen auf, die die Gemüter erhitzen und einige wenige Menschen sehr reich machen, angefangen von ICOs und DeFi über Memecoins und NFTs bis hin zum Metaverse. Relativ unbemerkt gab es um das Jahr 2019 herum jedoch einen weiteren, eher kleinen Hype um sogenannte Security Token, der bis heute nie richtig abheben konnte.

Der Use Case von Security Token ist im Grunde recht simpel: Man versucht eine bestehende Anlageklasse, nämlich Wertpapiere wie beispielsweise Schuldverschreibungen, in Form von Token auf einer Blockchain abzubilden. Anstatt eine urkundliche Wertpapierverbriefung herauszugeben, die bei einem Zentralverwahrer abliegt, soll der Wertpapierprozess möglichst schlank via Blockchain und Token abgebildet werden. Schließlich finden sich im Wertpapiersektor ähnlich wie beim Zahlungsverkehr einige Ineffizienzen, die man mit der Smart-Contract-Infrastruktur überkommen kann – so zumindest die Theorie.

Innovation nur bedingt erlaubt

Der Haken an der ganzen Sache: Im Gegensatz zu ICOs haben die Aufsichtsbehörden bei Security Token ein Wörtchen mitzusprechen. Eine digitale Wertpapieremission muss den gleichen BaFin-Standards entsprechen wie eine traditionell verbriefte Wertpapierbegebung. Auch kann noch nicht jedes Wertpapier in jeder Jurisdiktion begeben werden. Für Aktien in Tokenform fehlt es in Deutschland beispielsweise noch an einem passenden Gesetz.

Dieser Umstand zeigt, dass die Innovation respektive Weiterentwicklung im Security-Token-Sektor vor allem national und weniger international geprägt ist – im Gegensatz zu Kryptowährungen. Mehr Flickenteppich, anstatt ein globales und dezentrales Projekt. Auch muss man an dieser Stelle festhalten, dass Security Token eigentlich gar nichts mit dem Kryptomarkt zu tun haben. Sie basieren lediglich auf der gleichen Grundlagentechnologie, nämlich Blockchain und Token. Dies dürfte bereits eine erste Erklärung liefern, warum sich die meisten Krypto-Enthusiasten nicht für digitale Wertpapiere interessieren: Es ist eine vollkommen andere Welt.

Security Token: Wo sind die Leuchtturmprojekte?

Bürokratische Verifizierungsverfahren, kaum Angebot, kein Sekundärmarkt sowie letztlich unattraktive Wertpapiere beziehungsweise Renditen haben den Sektor eher floppen, als abheben lassen. Außer Innovationsgefasel gab es in der Praxis bislang kaum Gründe, warum man als Privatanleger einen Security Token erwerben sollte.

Weder in Deutschland noch auf der Welt gab es das eine Vorzeigeprojekt, die Leuchtturm-Emission, nach der sich die Anleger gerissen haben. Wenn man Erfolge erzielen konnte, dann eher im Kleinen. Reihenhäuser in Hamburg, die für 1,4 Millionen Euro über Plattformen wie Finexity oder Exporo finanziert wurden. Oder aber eine Handvoll Unternehmensfinanzierungen wie die der Tomorrow Bank via Wiwin-Crowdfunding-Plattform sorgen dafür, dass zumindest regional der Security-Token-Sektor nicht ganz zum Erliegen kommt.

Security Token: Besser oder einfach nur komplizierter?

Während Dienstleister für Kryptowährungen, insbesondere Krypto-Börsen, oftmals ein Vermögen verdienen, haben es Anbieter von Security-Token-Dienstleistungen eher schwer. Kaum Transaktionen, minimale Volumina, schlechte Investoren-Conversion durch bürokratische KYC- und AML-Pflichten, hohe regulatorische Set-up-Kosten, geringe Margen und letztlich, wenn auch gar nicht beabsichtigt, wieder viel zu viele Mittelsmänner. Wenn dann auch noch die Ethereum Blockchain zum Einsatz kommt, kann man gute Nacht sagen. Bei einer Kryptowährung, die sich innerhalb von 12 Monaten versechsfacht, mag man bereit sein für 1.000 Euro Kaufvolumen 90 Euro an Gaskosten, letztlich also Ordergebühren, zu bezahlen.

Doch wenn es sich um einen Security-Token handelt, der beispielsweise eine Rendite von 4,5 Prozent per Annum bietet – eine typische tokenbasierte Immobilienfinanzierung –, dann geht die Rechnung für denjenigen, der die Kosten zu tragen hat, kaum auf. Selbst, wenn die Kosten der Emittent oder die Emissionsplattform tragen, dürften die meisten Anleger mit einem entsprechenden Investorenprofil lieber den bequemen Kauf einer Dividendenaktie über ihren Hausbroker bevorzugen.

Digitale Wertpapiere und Elektroautos

So einfach es ist, Security Token schlechtzureden, muss man allerdings so fair sein und sagen, dass es verdammt naiv wäre zu glauben, dass der Sektor der digitalen Wertpapiere eine Dynamik entfalten kann wie der Kryptosektor. Das Innovationsversprechen von Security Token ist nicht falsch, es braucht nur viel länger, als anfangs erhofft. Man kann nicht die brutale Innovationsdynamik des Kryptosektors über den hochregulierten und gesättigten Wertpapiersektor stülpen. 

Was man verstehen muss: Digitale Wertpapiere sind genau so unausweichlich wie Elektroautos und autonomes Fahren. Wir wissen nicht, wann auf unseren Straßen autonome Fahrzeuge fahren werden, aber wir wissen, dass es passieren wird. Das Gleiche gilt für digitale Wertpapiere. Genauso wie unser Geld digital wird – damit ist nicht primär Bitcoin, sondern der Euro oder US-Dollar gemeint – werden auch unsere Wertpapiere in (ferner?) Zukunft nur noch rein digital begeben werden. Wer die Augen vor Security Token verschließt, verschließt die Augen vor der digitalen Zukunft.

Vergesst die Begriffe!

Niemand wird in zehn Jahren noch von Security Token sprechen, genauso wenig wie man den Begriff CBDC für digitales Zentralbankgeld verwenden wird. Es handelt sich um aktuelle Behelfskonstruktionen, um eine Unterscheidung vom dominierenden (teils analogen) Standard, ergo den urkundlich verbrieften Wertpapieren oder dem Bargeld, machen zu können. Zumal Begriffe wie Security Token juristisch oftmals irreführend sind oder schnell zu Missverständnissen führen. Je nach Rechtssprechung können sie divers ausgestaltet sein und unterschiedlichen Anforderungen unterliegen.

Diese Herausforderung zeigt sich unter anderem an dem deutschen Sonderweg der durch das elektronische Wertpapiergesetz (eWpG) neu geschaffenen Wertpapiergattung der Kryptowertpapiere. Die Kryptowertpapiere sind eine Antwort auf den teils komplizierten Adoptionsversuch, Wertpapiere in digitaler Form abzubilden. Die regulatorische Unsicherheit von Security Token und die damit teils eingeschränkte Nutzbarkeit soll mithilfe der deutschen Kryptowertpapiere überwunden werden. Allein die deutsche Sprachprägung dürfte international für Verwirrung sorgen, wenn man von Security Token spricht, die aber eigentlich gar keine Security Token sind, sondern eben Kryptowertpapiere. Internationale Standards, vor allem erstmal europäische Standards, in diesem Feld zu schaffen, könnte noch sehr spaßig werden.

Sahnestückchen oder Rudis Resterampe?

Ob die neuen Kryptowertpapiere den Durchbruch digitaler Wertpapiere bedeuten, lässt sich aktuell noch nicht sagen. Letztlich entscheidet sich der Erfolg der digitalen Wertpapiere an der Attraktivität gegenüber alternativen Anlageformen. Die oft besungene Demokratisierung von Private Equity durch Security Token oder Kryptowertpapiere wird es nur erfolgreich geben können, wenn Retail-Investoren Zugang zu vielversprechenden Projekten erhalten. Andernfalls heißt es wieder: Die Sahnestückchen gehen an die institutionellen und professionellen Anleger und Rudis Resterampe verbleibt dann für den gemeinen Kleinanleger. Der Mehrwert digitaler Wertpapiere muss sich am Ende an der wettbewerbsfähigen Rendite – gemessen am Chance-Risikoprofil – zeigen. Alles andere ist Marketing.

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