Schwere Zeiten Stagflation und Bitcoin: Worauf müssen sich Investoren einstellen?

Das Gespenst der Stagflation geht um. Seit den 80er Jahren war die Gefahr von Inflation bei gleichzeitigem Stagnieren der Wirtschaft nicht mehr so real wie dieser Tage. Wie sich Bitcoin und Co. in einer derartigen Phase verhalten könnten und warum ein besonderer Umstand Hoffnung für den Kryptosektor birgt.

Sven Wagenknecht
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Pipeline für Öl und Gas mit Bezug zur Stagflation

Beitragsbild: Shutterstock

Die nach wie vor existente Lieferkettenproblematik sowie der Ukraine-Krieg haben eine Panik an den Rohstoffmärkten ausgelöst. Die Preise für fossile Energieträger, Industriemetalle sowie Agrarrohstoffe erreichen ungeahnte Höhen. Die Konsequenz: Alles wird teurer. Das Brötchen vom Bäcker verteuert sich nicht nur durch die stark steigenden Strompreise, sondern auch, weil schlichtweg der Weizenpreis in die Höhe schießt.

Gleichzeitig machen Arbeitnehmer sowie Gewerkschaften – aus gut nachvollziehbaren Gründen – Druck auf die Gehälter. Die Eigendynamik der gefürchteten Lohn-Preis-Spirale könnte schon in den nächsten Wochen voll zuschlagen. Die durchschnittliche Inflation von 5,8 Prozent in der Eurozone könnte sich bald den EU-Spitzenreitern Litauen, Lettland und Tschechien angleichen. Dort liegt die Kaufpreisteuerung bereits bei über 10 Prozent.

Sollte nun auch das Wachstum ausbleiben, würde das Gespenst einer Stagflation unseren Wohlstand bedrohen. Die steigende Inflation würde dann nicht mehr ausreichend durch Wachstum kompensiert werden können. Das Gros der Anleger verliert Geld, wird also schlichtweg ärmer. Die meisten Aktiengesellschaften büßen in Stagflationszeiten an Wert ein. Doch wie sieht es mit Kryptowährungen, allen voran Bitcoin, in einer Stagflation aus?

Stagflation: Erfahrungswerte für Bitcoin gleich null

Niemand ist in der Lage, die Inflationsrate vorherzusagen. Weder die Europäische Zentralbank noch Investmentbanken noch Finanzanalysten auf YouTube. Sehr wohl nimmt aber die Wahrscheinlichkeit für bestimmte Szenarien zu. Ein solches Szenario ist die nun viel besprochene Stagflation. Die Schwierigkeit: Seitdem die Anlageklasse Kryptowährungen existiert, gab es in den großen Industrienationen keine Stagflation. Es fehlt also an Erfahrungswerten für die ohnehin nur schwer zu bewertende Anlageklasse.

Entsprechend kann es Sinn ergeben, sich an der Reaktion von Technologie- respektive Risikoassets zu orientieren. Schließlich haben diese die bislang höchste Korrelation zu Kryptowährungen aufgewiesen. Wie die Wachstumsaktien eines ARK Innovation ETFs sind auch die meisten Kryptowährungen teils 50 Prozent und mehr seit ihrem Korrekturbeginn im November letzten Jahres gefallen.

Das große Problem der Inflation

Isoliert betrachtet ist eine höhere Inflation weder für Tech-Aktien noch für Bitcoin per se schlecht. Allerdings nimmt mit steigender Inflation auch die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung durch die Notenbanken zu. Die Folge ist eine weniger expansive Geldpolitik und die ist wiederum sehr wohl schlecht für Bitcoin und Tech-Aktien und gut für US-Dollar sowie Staatsanleihen. Durch den Kurswechsel der amerikanischen Notenbank stehen die genannten Innovationswerte daher stark unter Druck. Schließlich steigen die Finanzierungskosten für Wachstum und die Opportunitätskosten nehmen zu.

Schroders Tabelle zu Erträgen nach Abzug der Inflation
Quelle: Schroders.com

Bleibt nun auch noch das entsprechende Wachstum aus, ergo aus Inflation wird Stagflation, dann könnte sich die aktuelle Entwicklung sogar noch verstärken. Historisch gesehen sind Gold und Rohstoffe dann die einzigen Anlagen, die sich in der Vergangenheit stark in einer Stagflation entwickelt haben (siehe Abbildung oben). Danach folgten Immobilien, die ebenfalls zulegen konnten, während Aktien im Schnitt an Wert verloren haben. Überträgt man diese Logik auf Kryptowährungen, dann sieht es alles andere als gut für die Anlageklasse während einer Stagflation aus.

Bitcoin vorerst kein digitales Gold

Es gibt allerdings noch Hoffnung. So hat der Markt bislang nicht das Narrativ angenommen, dass Bitcoin das neue digitale Gold ist. Zwar mögen das einige Krypto-Vermögensverwalter auf ihre Werbe-Flyer schreiben und auch Bitcoin-Anhänger mögen das Narrativ des digitalen Goldes zu 100 Prozent unterstützen, doch sieht die Realität anders aus. Wenn es zur Marktpanik kam, wie beispielsweise aktuell durch den Ukraine-Krieg, dann war Gold und nicht Bitcoin das Asset der Stunde. Weder als kurzfristiger Inflationsschutz noch als Safe Haven konnte Bitcoin in der Vergangenheit überzeugen.

Die Chance, dass Bitcoin zukünftig unter Anlegern anders wahrgenommen wird, beziehungsweise sich seine Korrelation zu Risikoassets ändert und auch effektiv zum digitalen Gold wird, könnte einen positiven Effekt auf die Kryptowährung Nr. 1 haben. Die Schlussfolgerung, dass nun auch das digitale Gas der Ethereum Blockchain mit dem physischen Gaspreis korreliert, ist leider zu weit hergeholt. Schließlich liegt bei den physischen Energieträgern ein Angebotsschock vor. Auf das Angebot von Ether und Co. hat der Ukraine-Krieg hingegen keinerlei Auswirkungen. So ist es eher anzunehmen, dass Altcoins wie Start-ups respektive junge Wachstumsunternehmen vom Markt bewertet werden und in einer Stagflation folglich unter Druck geraten.

Wachstum trotz Stagflation

Nur weil das Wachstum ausbleibt und die Inflation hoch ist, heißt das noch lange nicht, dass jedes Unternehmen oder eben auch jede Kryptowährung an Wert verlieren muss. Vielmehr sind derartige Phasen als Tendenzaussagen zu verstehen. Soll bedeuten, dass man sehr wohl mit Aktien auch auf der Long-Seite viel Geld verdienen kann. Im Gegensatz zu den letzten Jahren, muss man dafür aber auf die richtigen Kandidaten setzen. Stock Picking anstatt ETF-Erwerb wäre die Schlussfolgerung.

Selbst in den schwierigsten Marktphasen gibt es Unternehmen, die ihre Gewinne steigern und Marktanteile ausbauen können. Wachstum kann es daher auch in einer Stagflation geben, sie ist dann nur eben eher auf der Individualebene respektive Mikro- anstatt Makroebene zu finden. Doch was bedeutet diese Logik nun für den Markt der Kryptowährungen?

Kryptomarkt: Kommt jetzt die große Entkopplung?

Die größte Chance für den Kryptomarkt besteht darin, dass die sogenannte Mainstream-Adoption derart zunimmt, dass das negative Marktumfeld überkompensiert wird. Der Krypto-Sektor würde sich dann von den Technologie- und Wachstumsaktien entkoppeln. Ein Blick auf den S&P 500 würde dann nicht mehr ausreichen, um zu wissen, ob die Vorzeichen am Kryptomarkt grün oder rot sind.

Eine Entkopplung durch Wachstum in einer Phase der Stagnation wäre sicherlich ein Wunschszenario, da es eine massive Stärke und relative Unterbewertung zu anderen Assetklassen bedeuten würde. Die noch junge Vergangenheit vom Krypto-Sektor hat allerdings gezeigt, dass in sehr kurzer Zeit extreme Sprünge möglich sind. Insbesondere wenn sich der größte Belastungsfaktor für die Kurse der Kryptowährungen, nämlich die Regulierung, zum positiven entwickeln sollte, könnte dies Kapitalzuflüsse bedeuten, die ein schwaches Marktumfeld in den Hintergrund treten lassen.

Fazit zu Stagflation und Bitcoin

Die bekannten Stagflationen ausgehend vom Jahr 1972 bis einschließlich 1982 in den Industrieländern gingen jeweils auf eine Ölpreiskrise zurück. Seit nun 40 Jahren waren wir einer Energiekrise nicht mehr so nah wie jetzt. Entsprechend logisch erscheint mit Blick auf die Inflationsrate sowie stark steigenden Erdöl- und Gaspreise auch die Angst vor einer Stagflation und einem wirtschaftlichen Einbruch. Schließlich hat jeder Ölpreisanstieg in den letzten 50 Jahren von über 50 Prozent in kurzer Zeit zu einer anschließenden Rezession geführt (siehe Abbildung unten). Die stabile Arbeitslosenquote sowie bislang solide Situation unter den Unternehmen spricht allerdings gegenwärtig noch gegen eine Stagflation.

Historische Stagflations-Phasen
Quelle: Bloomberg.com

Kurzfristig mögen die negativen Effekte auf Bitcoin und den Kryptomarkt überwiegen. Dass Bitcoin vom Markt doch noch als digitales Gold wahrgenommen wird, damit ist nicht zu rechnen. Russische Oligarchen mit monetärem Fluchttrieb einmal ausgenommen. Eine weitere Eskalation des Ukraine-Krieges und ein mögliches Öl-Embargo könnte die Finanzmärkte noch weiter nach unten drücken. Wer jetzt handelt, muss sich mit maximaler Volatilität in beide Richtungen auseinandersetzen.

Derart realwirtschaftliche Einflussfaktoren könnten daher auch auf die Finanzwirtschaft vorerst einwirken und Rallyes unterbinden. Fundamental gesehen hat der Ukraine-Krieg und die drohende Stagflation nichts an den Aussichten von Bitcoin und Co. geändert. Wer also vom Erfolg der genannten Assets überzeugt ist, kann derartige Marktphasen nutzen, um nachzukaufen.

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