EU-Parlament lehnt Verbots-Paragrafen ab Bitcoin-Verbot nun endgültig vom Tisch?

In letzter Sekunde stimmen die EU-Abgeordneten im ECON-Ausschuss gegen den umstrittenen Verbots-Paragrafen für PoW-basierte Kryptowährungen im MiCA-Gesetzentwurf. Ist damit das kolportierte Bitcoin-Verbot durch die EU schlussendlich vom Tisch?

Daniel Hoppmann
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EU-Parlament

Beitragsbild: Picture Alliance

| Übersicht im Plenarsaal des Europäischen Parlaments. Straßburg, 10.03.2022

Das Hin-und-Her in Sachen Proof-of-Work-Verbot hat ein vorläufiges Ende. Mit einer knappen Mehrheit stimmen die Abgeordneten des EU-Parlaments gegen einen “Bitcoin-Bann”. BTC-ECHO liegt die Stimmenvergabe vor. Demnach stimmten 30 Abgeordnete gegen den Entwurf und 23 dafür. Darüber hinaus gab es sechs Enthaltungen. Nun steht der MiCA-Entwurf zur Endabstimmung im Parlament.

Der EP-Berichterstatter des MiCA-Gesetzesentwurfs, Stefan Berger, freute sich auf Twitter über den “Etappensieg”.

Auch Robert Kopitsch vom Verband Blockchain for Europe begrüßt gegenüber BTC-ECHO die Abwendung des de facto Bitcoin-Verbots:

Wir sind äußerst zufrieden mit dem Ausgang der Abstimmung im Europäischen Parlament, denn wenngleich die Autoren des Änderungsvorschlages beteuert haben, dass es nicht in deren Interesse war ein PoW-Verbot zu erzielen, so wäre das dennoch die Konsequenz gewesen.

Zuvor hatten die Fraktionen der Grünen, Linken und Sozialdemokraten bereits Ende Februar ein Verbot für die Erbringung von Krypto-Dienstleistungen auf Basis “nicht ökologisch nachhaltiger Konsensmechanismen” gefordert. Widerstand aus dem Krypto-Space sowie der Politik und der Wirtschaft waren die Folgen, woraufhin Berger, die Abstimmung zunächst verschob und dann den gesamten Verbots-Paragrafen gestrichen hatte.

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Am Wochenende unternahmen die linksgerichteten Fraktionen dann einen letzten Versuch, doch noch ein Bitcoin-Verbot einzubringen. So hieß es in dem überarbeiteten Antrag unter Artikel 2a:

Krypto-Assets unterliegen in Bezug auf ihren Konsensmechanismus, der zur Validierung von Transaktionen verwendet wird, ökologischen Mindestnachhaltigkeitsstandards, bevor sie in der Union emittiert, angeboten oder zum Handel zugelassen werden.

Besagte Standards hätten dann von der EU-Kommission definiert werden müssen. Dazu wird es allerdings nun nicht mehr kommen. Stattdessen sieht der neue Entwurf eine Aufnahme von Kryptowährungen in die EU-Taxonomie vor. Dabei handelt es sich um Richtlinien der Europäischen Union, die Wirtschaftstätigkeiten anhand ihrer Nachhaltigkeit bewertet.

Wie es nun mit Bitcoin weitergehen könnte

Nun ist ein Bitcoin-Verbot zunächst vom Tisch. Sollte alles glattgehen, dürfte der Entwurf im Trilog zwischen der Kommission, dem Parlament und den Mitgliedsstaaten diskutiert werden. Auch hier gibt es eine klare Mehrheit, die sich gegen ein PoW-Verbot ausspricht, berichten Insiderquellen gegenüber BTC-ECHO. Die Bitcoin-Verbotsfraktionen seien sich dessen durchaus bewusst gewesen.

Proof-of-Work-basierte Kryptowährungen sind jedoch noch nicht gänzlich aus dem Schneider. Denn die Fraktionen der Grünen, Linken und Sozialdemokraten könnten versuchen, den Entwurf zu blockieren, indem man eine Abstimmung im Plenar erzwingt. Das hätte zur Folge, dass die Überstellung zum Trilog um mehrere Monate verschoben werden müsste. Die Fraktionen erhalten damit die Möglichkeit, neue Änderungsanträge einzubringen und Diskussionen anzustoßen.

Folglich müsste auch der Zeitplan für die Umsetzung der MiCA-Richtlinien angepasst werden. Robert Kopitsch hält einen neuen Termin ab Ende 2023 bis zum ersten Quartal 2024 für realistisch. Eine entsprechende Anfrage an den grünen “Schattenberichterstatter” Ernest Urtasun, der das PoW-Verbot dem Vernehmen nach federführend vorangetrieben hat, blieb selbst auf mehrfache Nachfrage bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Dafür äußerte sich der deutsche Abgeordnete Rasmus Andresen, der für das PoW-Verbot gestimmt hatte. Gegenüber BTC-ECHO sagte Andresen:

Das Europäische Parlament bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück. Auch wenn wir viele Aspekte der Position des Europäischen Parlaments zur Regulierung von Kryptowährungen teilen, sind wir Grünen von der heutigen Abstimmung enttäuscht. […] [Wir dürfen] die Augen nicht vor der verheerenden Ökobilanz und der ungleichen Verteilung verschließen. […]

Rasmus Andresen gegenüber BTC-ECHO

Sollte dieses Szenario eintreten und der Entwurf würde dem Plenum übergeben, wäre auch die sogenannte “Travel Rule” von der Verzögerung betroffen. Die Regelung ist eng an MiCA geknüpft und verpflichtet Anbieter von Krypto-Dienstleistungen zum Sammeln von Kundendaten ab einem gewissen Transaktionsschwellenwert. An ähnliche Richtlinien müssen sich auch traditionelle Finanzanbieter halten, um etwa illegale Finanzierungen zu verhindern.

Frankreich unter Druck

Eine mögliche Verschiebung von MiCA hätte auch Auswirkungen auf Frankreich. Die Grande Nation hat derzeit den Vorsitz der europäischen Ratspräsidentschaft. Sollten die Bitcoin-Verbotsfraktionen eine Plenarsitzung zu MiCA in Erwägung ziehen, geriete Frankreich unter Zeitdruck, da ab 30. Juni Tschechien den Sitz übernimmt. 

Wie Insiderquellen gegenüber BTC-ECHO melden, möchte die derzeit französisch geführte Ratspräsidentschaft die sogenannten “CASPs” (Crypto Asset Service Provider) unter eine geteilte Aufsicht stellen. Kleinere Krypto-Anbieter sollen demnach von den nationalen Behörden beaufsichtigt werden, während große Börsen wie etwa Kraken, Binance oder Coinbase unter die Aufsicht der ESMA mit Hauptsitz in Paris gestellt werden würde. Frankreich erhoffe sich damit einen Zulauf großer Krypto-Player, so die Insiderquelle. Eine Blockade der Grünen, Linken und Sozialdemokraten würde diese Pläne durchkreuzen. Eine Einflussnahme auf die mehrheitlich französisch geführte Fraktion der Liberalen zugunsten eines Bitcoin-Verbots sei deshalb denkbar gewesen. Tatsächlich sollen sich die Liberalen bei der Abstimmung im Ausschuss enthalten haben, berichten Insiderquellen BTC-ECHO.

Das de facto Bitcoin-Verbot hielt den Krypto-Space nun wochenlang in Atem. Es zeigte sich, dass die Diskussionen um MiCA weniger konstruktiver, als politischer Natur waren. Es scheint, als wollten die Grünen, Linken und Sozialdemokraten in der Frage der Nachhaltigkeit von Proof-of-Work-basierten Kryptowährungen das Gesicht waren, wohl wissentlich, dass ein Verbot ohnehin nur eine marginale Chance auf Durchsetzung in der EU gehabt hätte.

Wenngleich die Ablehnung des Bitcoin-Verbots Anlass zur Erleichterung bieten dürfte, zeigt der Fall MiCA doch, wie schnell politische Grabenkämpfe einem konstruktiven Diskurs weichen können. Die Augen des Krypto-Space richten sich nun auf den Trilog.

Von David Scheider und Daniel Hoppmann

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