Regulation Wie Staaten Decentralized Finance (DeFi) sinnvoll regulieren könnten

Weltweit versuchen Regulatoren, DeFi in die bestehenden Regelwerke der traditionellen Finanzwelt zu integrieren – aber ist das überhaupt möglich und welche Maßnahmen wären sinnvoll?

Leon Waidmann
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DeFi

Beitragsbild: Shutterstock

| Die Unsicherheit der Anleger im DeFi-Sektor nimmt weiter zu.

Peer-to-Peer-Handel war über Jahrtausende hinweg der Standard dafür, wie Menschen miteinander Waren und Dienstleistungen ausgetauscht haben. Erst der Handel zwischen Parteien, die immer weiter voneinander entfernt sind und sich nicht mehr vertrauen konnten, hat dazu geführt, dass die Menschheit Vermittler wie Makler oder Banken erfunden haben.

DeFi krempelt nun genau dieses Modell erneut um. Smart Contracts ersetzen Intermediäre und verschiedenen Parteien können sich aufgrund von in Codes festgeschriebenen Regeln, denen beide Parteien zustimmen müssen, vertrauen.

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Diese Innovation legt aber nicht nur den Grundstein für eine Renaissance des Peer-to-Peer-Handels. Smart Contracts bieten jedem, der über Kapital und eine Internetverbindung verfügt, Zugang zu einer Reihe von Finanzanwendungen, die weit über den einfachen Ersatz von Banken hinausgehen.

Beispielsweise können Investoren mit DeFi-Protokollen wie Ribbon Finance (Optionsstrategien) oder Aperture Finance (Delta-neutral-Strategien) Handelsstrategien verwenden, die in der Vergangenheit wegen ihrer hohen Komplexität nur von institutionellen Investoren verwendet werden konnten.

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Darüber hinaus bieten neuartige Investmentmöglichkeiten wie Liquidity Mining, Staking oder Liquid Staking gänzlich neue Methoden, mit denen Investoren ihr Kapital für sich arbeiten lassen können.

DeFi ist Regulatoren ein Dorn im Auge

Diese neuartigen Finanzanwendungen stellen die Regierungen dieser Welt vor gigantische Herausforderungen. Wirklich dezentrale DeFi-Protokolle befinden sich außerhalb der Reichweite von Behörden, da es keine juristischen Personen gibt, die sich zur Rechenschaft ziehen ließen.

Wirklich dezentrale DeFi-Protokolle liegen somit eher wie kollektiv verfügbare Werkzeuge im Internet. Jeder kann diese Protokolle nutzen und sie ähnlich wie das Internet für legale als auch illegale Aktivitäten einsetzen.

Aufsichtsbehörden stehen daher vor großen Herausforderungen: Wie lässt sich Geldwäsche verhindern? Wer ist bei DeFi-Hacks verantwortlich? Wie kann Terrorismusfinanzierung unterbunden werden? Wie schafft man Transparenz und Sicherheit für DeFi-Nutzer?

Die Antwort der Europäischen Union auf diese Frage ist, dass DeFi gänzlich in den Rahmen des traditionellen Finanzsystems gezwängt werden soll; dass Anbieter von Fiat-zu-Krypto- On- und Offramps wie Coinbase, Binance oder Kraken künftig keinerlei Krypto-Transfers an nicht verifizierte Wallets durchführen dürfen.

De facto bedeutete das, dass Nutzer lediglich mit von Krypto-Börsen verifizierten Krypto-Wallets und somit indirekt auch DeFi-Protokollen interagieren dürfen. DeFi würde dadurch im Keim erstickt, da Börsen diese Verifizierung nicht zu 100 Prozent gewährleisten könnten. Unhosted Wallets – oder besser gesagt: von Nutzern selbst erstellte Wallets – können, ähnlich wie ein physischer Geldbeutel mit Bargeld, nicht von einer Krypto-Börse oder Behörde kontrolliert werden.

Es wäre daher wahrscheinlich, dass Krypto-Dienstleister dazu gezwungen wären, den Transfer von digitalen Vermögenswerten drastisch einzuschränken. Der DeFi-Sektor wäre daher für EU-Bürger nur noch mit großen Einschränkungen verbunden zugänglich und die Mehrheit der DeFi-Industrie müsste sich aus Europa verabschieden.

Eine derart harte Regulierung wäre somit, laut Peter Grosskopf, Mitgründer von Unstoppable Finance, ein riesiger wirtschaftlicher, finanzieller und gesellschaftlicher Rückschlag für Europa.

Die große Frage ist nun: Wie könnten Regierungen Vorschriften durchsetzen, die nicht von der Anwesenheit von Intermediären (Juristischen Personen) abhängig ist? Und wie könnten Gesetze sowohl die junge DeFi-Industrie als auch ihre Nutzer schützen?

Wie kann man DeFi sinnvoll regulieren?

DeFi verfolgt viele Ziele, die Regierungen auf der ganzen Welt gleichen:

  • Schaffung von breitem Zugang zu Finanzdienstleistungen,
  • Transparenz
  • Chancengleichheit
  • Effizientes Finanzsystem

Der gleichberechtigte Zugang zu Kapital ist nicht nur ein zentrales Anliegen der Krypto-Community. Regierungen auf der ganzen Welt streben danach, einem möglichst großen Teil ihrer Bevölkerung Zugang zu Finanzdienstleistungen zu ermöglichen. DeFi kann Staaten genau dabei helfen und vor allem Ländern mit maroder Finanzinfrastruktur, einen umfassenden Zugang zu Finanzen bieten.

DeFi hat das Potenzial, durch völlig neue Mechanismen fairere, transparentere und liquidere Märkte zu schaffen, die effizienter, widerstandsfähiger und für alle gleichermaßen zugänglich sind.

Die Festlegung einer angemessenen Regulierung könnte somit viele Vorteile für eine Gesellschaft bringen und sollte daher für Regierungen auf der ganzen Welt von zentraler Bedeutung sein.

Es ist deshalb wichtig, nicht vorschnell zu hart in den DeFi-Space einzugreifen. Jahrzehntealte Gesetze, die in der traditionellen Finanzwelt funktionieren, lassen sich nicht 1:1 auf Decentralized Finance übertragen. Wenn Staaten von Innovationen und Wachstum in DeFi profitieren möchten, dann müssen sie umdenken.

Neue Technologien erfordern neue regulatorische Regelwerke und Vorgehensweisen. Es reicht nicht aus, jahrzehntealte Gesetze auf eine völlig neue Technologie zu übertragen – aber was wären sinnvolle Maßnahmen, die Staaten ergreifen könnten?

1. Kooperation mit Blockchain-Analyseunternehmen

Anstatt jegliche Privatsehsphäre im DeFi-Space zu verbieten, könnten Aufsichtsbehörden auf die Zusammenarbeit mit Blockchain-Analyseunternehmen und Krypto-Börsen setzen. Die Transparenz von Blockchains ermöglicht es nämlich, dass jede Transaktion öffentlich einsehbar ist.

Da an Krypto-Börsen bereits strenge KYC-Richtlininen gelten, könnten Aufsichtsbehörden mithilfe dieser Daten und der Kooperation mit Blockchain-Analyseunternehmen, nachvollziehen, wohin Individuen ihre digitalen Vermögenswerte überwiesen haben.

Dadurch wäre es nicht nötig, private Wallets und die Nutzung von DeFi generell unter Verdacht zu stellen. Zudem ließen sich internationale Standards zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung einhalten, Kriminelle könnten gestoppt werden und die DeFi-Industrie könnte weiterhin florieren – eine Win-win-Situation.

2. DeFi-Protokolle staatlich überwachen

Im Gegensatz zum undurchsichtigen Innenleben vieler traditioneller Verwaltungssysteme oder den Koordinationsfehlern in freien Märkten sind Blockchains und DeFi-Protokolle transparent und Smart Contracts unveränderlich. Das bedeutet, dass jeder mit ausreichendem technischen Verständnis überprüfen kann, wie ein DeFi-Protokoll programmiert wurde. Alles ist Open Source und theoretisch kann jeder genau wissen, worauf er sich einlässt, wenn er ein bestimmtes DeFi-Protokoll verwendet.

Staaten könnten deshalb staatliche Audits durchführen und bestimmten DeFi-Protokollen, die als ausreichend dezentral und sicher gelten, eine Art Legitimationsstempel verpassen. Bei den größten DeFi-Projekten (Uniswap, Anchor, Aave, …) sind derartige regelmäßige Smart-Contract-Audits schon seit einiger Zeit üblich.

Unternehmen wie Trail of Bits, OpenZeppelin oder ConsenSys Dilligence prüfen in regelmäßigen Abständen den Code verschiedener DeFi-Protokolle und veröffentlichen anschließend Berichte, die über Risiken aufklären. Sie übernehmen somit eine ähnliche Rolle wie Wirtschaftsprüfungsunternehmen in der traditionellen Geschäftswelt, da sie DeFi-Protokolle legitimieren und Anleger über Risiken aufklären.

3. Mehr Bildung betreiben

Der wohl wichtigste Punkt zum Schutz der Anleger vor den Risiken in DeFi ist Bildung. So könnte man beispielsweise von den Börsen verlangen, einen Fragebogen für Anleger zu erstellen, der Wissen abfragt und Risiken klarstellt.

Nur wer die Fragen richtig beantworten kann, darf sein Kapital auf ein unhosted Wallet abheben oder in bestimmte Token investieren. Das gleiche Verfahren haben Krypto-Börsen wie Binance bereits bei Leverage-Trading eingeführt. Es wäre somit nicht sonderlich kompliziert, diese auf den DeFi-Space und unhosted Wallets auszuweiten.

Eine weitere Möglichkeit wäre die gezielte Förderung von DeFi-Bildung in Schulen und an Universitäten. In der südkoreanischen Stadt Gyeongbuk haben Schüler bereits seit März die Möglichkeit, Kurse zu Kryptowährungen oder Decentralized Finance zu belegen. Auf der staatlichen Lernplattform Yeep können südkoreanische Schüler so beispielsweise schon lernen, wie sie mit digitalen Token Online-Crowdfundings durchführen können.

Fazit

Decentralized Finance ist bei weitem noch nicht perfekt und bietet auch keine Lösung für alle Probleme der traditionellen Finanzwelt. Dennoch hat DeFi das Potenzial, unser derzeitiges Finanzsystem grundlegend zu verändern und zu verbessern.

Mit DeFi können mehr Menschen in das Finanzsystem integriert und viele Finanzprozesse automatisiert werden, während gleichzeitig die Bürokratie abgebaut und die Steuereinnahmen erhöht werden können.

All das bedarf jedoch dem richtigen Umgang mit diesen neuen Technologien. Eine durchdachte Regulierung ist daher essenziell und könnte entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg von Staaten sein.

Staaten sollten sich daher klare Ziele setzen und eine Regulierung schaffen, die den Weg in die neue Finanzwelt ebnet, ohne sich einfach mit einer schnelleren Version der heutigen Regelwerke zufrieden zugeben.

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